Klaus Jenne lehnt sich zurück in seinem Drehstuhl, er träumt von der Rente: „Dann erfülle ich mir ein Lebensziel und arbeite mich durch den Jura, von den untersten Schichten des Lias bis ganz nach oben im Malm. Das wär’s“. Dabei ist der Chemieingenieur und Verfahrenstechniker erst 54 Jahre alt und steht voll im Berufsleben. Für Träumerei bleibt da wenig Zeit: Neben seinem Vollzeitjob arbeitet er noch freiberuflich, hält den Winzerhof des pflegebedürftigen Vaters am Laufen und renoviert zwei Bauernhöfe. Ein Workaholic also …
Tatsächlich ist der Mangel an Zeit ein wesentlicher Faktor im Leben von Klaus Jenne. „Ich würde gerne mehr sammeln gehen, schaffe es aber aus beruflichen und privaten Gründen nicht.“
Maximal zehn Mal im Jahr mache er sich auf in die Fundgebiete von Wutach, Westalb oder Ringsheim.

Früher fuhr er auch in die benachbarte Schweiz. Dort seien zur Fossiliensuche allerdings sogenannte Strahlerpatente erforderlich. Diese würden für mehrere hundert Franken in den jeweiligen Kantonen ausgestellt und erlaubten die Fossiliensuche für die Dauer eines Jahres – aber nur in dem betreffenden Kanton!

Aufgrund von immer strenger werdenden Regularien werde es immer schwieriger, an Genehmigungen für das Sammeln von Fossilien zu gelangen. Daher halte er sich vorzugsweise auf Flächen auf, deren Besitzer er kenne und die seinem Hobby wohlgesonnen seien.
Über die Jahre kam so einiges an Material zusammen und inzwischen füllen die Funde ein ganzes Lager mitten im Ortskern von Bötzingen. „Ich war immer dort, wo was los war“, sagt der sympathische Kaiserstühler und lacht.
Zuerst sei er dem Fahrrad quer durchs Land gefahren, dann mit dem Moped und schließlich mit dem Auto. Da er aber schon früh im heimischen Winzerbetrieb mithelfen musste, „hatte ich immer einen straffen Zeitplan mit wenig Freizeit.“

Dringend müsse er den Bestand reduzieren, „ich stelle auf Lokalsammlung um“. Abgestoßen würden Stücke aus Madagaskar und Marokko, die meisten Fossilien aus Frankreich und England seien bereits weg: “Die Engländer flogen mit dem Brexit raus” scherzt er. Wichtige Exemplare würde er allerdings nicht weggeben: „Das können ganz unscheinbare Stücke sein. Wichtig sind sie, wenn sie mit einer bestimmten Erinnerung, Abenteuern oder Anekdoten verknüpft sind.“
Wie zum Beispiel der erste Macrocephalites oder ein bestimmter Procerit aus Hondingen: Auf einem Acker sei er einem Bauer beim Pflügen gefolgt. Als der Procerites erschien, habe er den Bauer gefragt, ob er das Stück haben könne. „Was soll ich mit diesem Lettenbollen“, habe der Landwirt nur geantwortet.


Auch ein anderes Erlebnis bleibt unvergessen: In einem Kanalgraben bei Schwäbisch Gmünd kam Jenne vor Jahren erst zu Anbruch der Dämmerung an. Im Stiefel schmerzten die Steine – egal. Eifrig las er einige Amaltheen auf, allerdings enttäuschte das Ergebnis: nur 20 kleinere Ammoniten kamen zusammen, der Arten margaritus und gibbosus. Erschöpft leerte Klaus Jenne den Stiefel mit dem störenden Stein und siehe da: Ein Traum von Amaltheus kam zum Vorschein.
Solche Momente vergisst Klaus Jenne nicht, der seit nunmehr 30 Jahren sammelt. Angefangen habe es mit Fossilien aus dem Malm, dann folgte der Dogger und schließlich der Lias. Da noch viele Stücke unpräpariert im Keller lägen, „ist die Zeit in der Rente schon verplant“.
Text/Fotos: Stephan Hack